Freitag, 14. August 2009

… und das Internet ist außerdem voller Nazis

Der Spiegel fängt sich gerade eine Menge Kritik ein, weil er eine etwas ungeschickte Leitgeschichte veröffentlicht hat, die sich nicht so ganz sicher ist, ob das Internet ein rechts-freier Raum ist, oder nicht oder es sein kann… Heute stellte die Zentralstelle der Länder für Jugendschutz im Internet einen Bericht über die Aktivitäten rechter Gruppen im Internet vor (”Rechtsextremismus Online – Jugendliche im Visier der Szene”), und wie zu erwarten ließt sich der Bericht recht unangenehm.

Zentrale These des kurzen Berichtes ist, das die Auftritte und Werbevideos rechter Gruppen subtiler geworden sind. Häufig enthalten die öffentlichen Werbemittel, die zum anlocken dienen, keinerlei rechtswidrige Inhalte. Ihre eigentliche Botschaft und die Ideologie ihrer Produzenten lässt sich bei geringer Medienkompetenz oder fehlendem Sachverstand kaum bemerken. All dies ist eine seit Jahren zu bemerkende Entwicklung, die nicht wirklich überrascht, obwohl sie natürlich enttäuscht.

Stutzig machte mich an dem Bericht etwas anderes. Geradezu begeistert preisen die Autoren des Berichtes ihren Erfolg bei der Entfernung verbotener Inhalte aus dem Netz. Eine Erfolgsquote von 80% habe man durch einfaches Melden von rechten Inhalten erreicht. Es sei am effektivsten sich mit den Providern im In- und Ausland zu verständigen. Auch war es anscheinend kein Problem mit Youtube und anderen Plattformen zu regeln Inhalte schnell zu löschen nachdem sie entdeckt und gemeldet wurden.

“Wie im Vorjahr gelang dies in 80 % der Fälle. Besonders wirksam erwies sich nach wie vor die direkte Kontaktaufnahme zu in- und ausländischen Providern. 2008 initiierte das Team ergänzend 26 Indizierungsanträge bei der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM), da sich indizierte Websites schwieriger verbreiten lassen: Sie dürfen Kindern und Jugendlichen nicht zugänglich gemacht werden und deutsche Suchmaschinenbetreiber haben sich dazu verpflichtet, indizierte Seiten nicht als Suchtreffer auszugeben.” heißt es im Bericht unter der Überschrift “Wirksames Vorgehen gegen unzulässige Inhalte”.

Ich habe nie ein Problem mit Ursula von der Leyens “Stop-Schildern gehabt. Mehr Blockaden beim Zugang zu verbotenen Inhalten sind eine gute Idee. Diese spezifische Blockade ist verhältnismäßig dämlich, kann von jedem versierten Nutzer umgangen werden und kostet recht viel Geld, aber mich konnte man dennoch dafür gewinnen, weil ich glaube, dass jeder Schritt ein Schritt in die richtige Richtung ist. Dennoch, zeigt der Bericht des Jugendschutzes, dass die “Stop”-Schilder nur selten notwendig sein sollten.

Ich bin kein Rechtsexperte, aber ich nehme an, dass mehr Länder ein Verbot von Veröffentlichung und Verbreitung kinderpornographischer Materialien gesetzlich festgeschrieben haben, als ein verbot rechtsextremer Propaganda. Doch sogar in diesem Bereich können 80% der Materialien nicht nur gesperrt sondern tatsächlich gelöscht werden. Wenn man den verbleibenden Rest dann einfach mit einem Stop-Schild sperrt, und hofft, dass es zumindest einige abhält, ist mir das absolut recht. Aber auch da hat man bei jugendschutz.net noch eine weitere Möglichkeit gefunden, wenn es die Gesetze mal nicht hergeben: “Während Provider in Deutschland verpflichtet sind, unzulässige Inhalte ab Kenntnis von ihren Servern zu entfernen, bezieht sich jugendschutz.net im Ausland auf Verstöße gegen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des jeweiligen Dienstes. Meist wird darin die Verbreitung von Rassismus und Hate Speech untersagt.” Ich gehe mal davon aus, das auch Kinderpornographie in diesen Geschäftsbedingungen untersagt wird.

[Edit] Wer jugendgefährdende Seiten im Internet findet kann diese übrigens jugendschutz.net mit diesem Formular melden, und dabei helfen Rechtsradikale aus dem Internet zu treiben.

Mittwoch, 12. August 2009

Wahlkampf? Nicht wirklich.

Ich habe etwas mehr Zeit dieser Tage, und konnte mich daher auch dem deutschen Wahlkampf etwas widmen, doch leider muss man feststellen: Es ist nicht wirklich etwas los. Natürlich dominiert das Thema unsere Medien, aber oft habe ich das Gefühl, es wird mehr aus Pflichtbewusstsein geschrieben. Ob Steinmeier sich für einen objektiven Wahlkampf ausspricht oder nicht ist nicht weltbewegend, insbesondere weil, alle Umfragen betrachtend, Steinmeier nicht weltbewegend ist. Er mag es können und wollen, aber er wird es nicht tun. Die Nachrichten berichten darüber, weil man über den Wahlkampf berichten muss. Die Geschichten sind aber meist aus der Luft gegriffen.

Ob es im September für Schwarz-gelb reichen wird ist offen, eine Fortsetzung der langweiligen und ineffizienten großen Koalition erscheint wahrscheinlich. Die CDU/CSU Fraktion wird die stärkste sein. So stürzt man sich in den Medien auf Non-Storys, die von gewissen anekdotischem Wert sind, aber den Ausgang der Wahl nicht verändern werden. Sei es ob ein Auto geklaut wird, ob Spaß-Parteien zugelassen werden (und der Spiegel sogar befürchtet, die Wahl müsse eventuell wiederholt werden), ob im Internet jemand Plakate remixt oder die Piratenpartei… Den spannendsten Wahlkampf muss dabei ohne Frage die FDP durchstehen: Sie ist das Zünglein an der Wage, aber auch ihre Umfragewerte haben sich über die letzten Monate bei 13% bis 15% recht stabil gezeigt.

Das wird auch alles so bleiben, sofern es keinen gigantischen Ausrutscher auf irgend einer Seite gibt. Das Fernsehduell wird da nichts ändern, Merkel wird sachlich aber langweilig bleiben, Steinmeier weitgehend uninteressant und verschwitzt.
Schreibe ich also doch über das, worüber schon bei weitem genügend geschrieben wurde, die Non-Themen, weil es sonst nichts zu sagen gibt:

Zulassung von “Spaß”-Parteien
Es ist schon irgendwo peinlich, was sich der Bundeswahlleiter da geleistet hat. Natürlich hat er das recht Parteien nicht zuzulassen, aber das Medienecho war absehbar und die Entscheidung auch teilweise einfach dumm. “Die Partei” ist selbstverständlich eine Satirepartei, und hat eigentlich in der Wahl zum deutschen Bundestag nichts zu suchen. Andererseits  muss sich eine Institution wie die deutsche Demokratie stark genug fühlen, solche Satire mit zu tragen und als Meinungsfreiheit verstehen. den Ausgang der Wahl hätte “Die Partei” sicher nicht beeinflusst.
Viel schlimmer (wenn auch für den Ausgang der Wahl genauso uninteressant) ist die Nichtzulassung von Gabriele Paulis Splitterpartei ihrer vorigen Splitterpartei wegen einer fehlenden Unterschrift, die genauso gut auch hätte nachgereicht werden können. Dies sind Pseudobegründungen eines Wahlleiters der genug hat von 1 Meter langen Wahlzetteln und sie sind irgendwo ja auch ein kleines bisschen nachvollziehbar aber sie erinnern in ihrer Haarsträubenden Härte doch sehr an Urteile  wie so in weniger demokratischen Ländern gefällt werden.
Gestern wurde Aung San Suu Kyi in Myanmar zu weiteren 18 Monaten Hausarrest verurteilt. Zur Verlängerung ihres Arrestes war es gekommen weil sie gegen die Auflagen verstoßen hatte indem sie einen Amerikaner in ihrem Haus aufgenommen hatte. Naiv könnte man da so stehen lassen, den faktisch ist es richtig. Fakt ist auch: Nächstes Jahr sind Wahlen in Mynamar und die Opositionspolitikerin, die die letzte demokratische Wahl im damaligen Burma gewonnen hatte, ist aufgrund dieses Urteiles nicht in der Lage sich aufstellen zu lassen. Begründung und Grund klaffen hier weit auseinander.
Zustände wie in Myanmar herrschen in Deutschland noch lange nicht, aber auch hier lässt sich argumentieren, dass die Gründe für die Nichtzulassung in den Begründungen nicht zu finden sind. Zu recht werden, auch aus den zugelassen Parteien, Stimmen laut die fordern, das Verfahren der Parteienzulassung zu ändern oder gar abzuschaffen.

Die Piratenpartei
Das ich kein Fan der Piraten bin, habe ich vor einiger Zeit ja schon ausführlich dargelegt. Daran hat sich nichts geändert aber für den internetaffinen Menschen mit Interesse an Politik ist die Piratenpartei, gerade in einem so langweiligen Wahlkampf, dennoch willkommene Ablenkung. Einige Feststellungen bevor ich ins Detail gehe: Die Piratenpartei wird, abgesehen vom unwahrscheinlichen Wunder von ein oder zwei Direktmandaten, keine Abgeordneten stellen. Die Piratenpartei wird in der Bundespolitik der nächsten vier Jahre keine Rolle spielen und die meisten Bundesbürger werden zum Zeitpunkt der Wahl nie von ihr gehört haben. Ihr potentieller Wähleranteil ist derart gering, dass kein Meinungsforschungsinstitut sie aus den “Anderen”-Parteien herausnimmt, und warum sollten sie auch, mit 3% bis 5% sind die gesammelten Anderen genau da wo sie immer sind.
Wer wissen will, wer die Piratenpartei wählt, muss sich nur abseits von Forsa und Infratest Umfragen ansehen. Wenn Studi-VZ die Sonntagsfrage stellt gehen locker 30% an die Piratenpoartei, weitere 10% an “Andere”, die restlichen 60% müssen die etablierten Parteien unter sich aufteilen. Spannend daran ist, dass sich diese 60% nahezu realistisch verteilen. Bei Umfragen auf Plattformen, bei denen früher die Grünen manchmal sogar absolute Mehrheiten erhielten, sehen wir Grün nun auf Platz vier der etablierten parteien, genau wie im Bundestrend.
Trotz Umfragen auf StudiVZ, Twitter und ähnlichen Plattformen, die Grünen erhielten nie 50%+ im Bund, viele der Personen die bereit sind im Internet zu klicken, gehen gar nicht zur Wahl und unter älteren Wählern, die nicht online sind, verteilen sich die Stimmen ohnehin ganz anders. Auch den Grünen, denen anscheinend die meisten potentiellen Wähler davonlaufen, wird dieser Trend nicht schaden.
In den letzten Jahren haben die Grünen bei Landtagswahlen ein Rekordergebnis nach dem anderen eingefahren. Ähnlich ging es der FDP, manchmal auch den Linken. Die Grünen allerdngs schienen, so suggerierten die Zahlen, die jugendlichen Internetnutzer auf ihrer Seite zu haben, welche jetzt zumindest teilweise zu den Piraten abwandern. Ein Zahlenspiel zeigt, dass dies zwar Stimmen kosten kann, aber wohl nicht viele:
92.687 Zusprüche für Parteien verzeichnen StudiVZ und meinVZ, die größte deutsche Internetplattform Jugendlicher, fast die hälfte (47,6%) Sprechen sich für die Piratenpartei aus. Würden diese 44.000 Personen tatsächlich die Piratenpartei wählen (Und vorausgesetzt die Wahlbeteiligung läge bei 77,7% wie im Jahr 2005) währen dies  0,091% der Stimmen. Natürlich gibt es mehr Piratenpartei Wähler als das, aber dennoch ist es Utopisch zu glauben die 5%-Hürde sei auch nur ansatzweise erreichbar.
Könnte die Piratenpartei dennoch eine Rolle spielen? Indirekt.
Wie immer, wenn sich eine kleine chancenlose Partei lautstark zu Wort meldet hört ihr nur einer zu: Die Medien. Hungrig nach Themen wurde die Piratenpartei in Print und TV aufgegriffen. Meist scheinen sich die Redakteure bestenfalls am Rande mit der Thematik beschäftigt zu haben, fallen auf dämliche Versatzstücke zurück, die ihnen gewohnter sind, wollen sofort über illegale Downloads und möglichst schnell über Killerspiele reden, aber immerhin wird geredet. Und wenn die Medien ein Thema aufgreifen so kann die Politik nicht anderes als es ebenfalls aufzugreifen, um Antworten parat zu haben. So hat die Piratenpartei zwar bisher nur wenig, aber immerhin überhaupt, die Themensetzung beeinflusst.
Ob die Piratenpartei jemals eine etablierte Partei wird ist nicht abzuschätzen. Zu jeder Wahl stellen sich duzende Parteien auf, viele mit nur einem Thema, wie auch die Piratenpartei. Die wenigsten erleben eine zweite Wahl. Kaum eine bekommt genug Stimmen um Abgeordnete zu entsenden (und wenn, dann handelt es sich meist um Rechtspopulisten), aber ganz selten passiert es ja. Der Vergleich zu den Grünen, die anfangs mit recht wenigen Themen antraten und auch weitgehend außerhalb der Parlamente agierten ist schon so oft gezogen worden, dass es langweilig wird. Wohl auch deshalb, weil es das einzige mal in der deutschen Parteiengeschichte ist, das so etwas geschah. Gewählt wurden die Gründen aber auch erst in die Landtage, als ihr Parteiprogramm vielfältiger wurde.

Internetwahlkampf 
Die Piratenpartei hat das Internet ja nicht für sich alleine, inzwischen macht jede Partei online Werbung für sich. Das dies meist ungeschickt wirkt und die Parteistrategen offensichtlich nicht wissen was sie mit dem neuen Medium tun sollen ist altbekannt. Das jeder jetzt Barack Obama sein will auch. Barack Obama hat seine Wahl nicht aufgrund seines Internetauftrittes gewonnen. Es war nicht weil er twitterte, nicht wegen seines Youtube-Kanals, nicht, weil seine Internetseite nach Web 2.0 aussah. Die Hoffnung seine Erfolg zu replizieren indem man dieses nachahmt ist ähnlich verzweifelt und hilflos als wenn man Finnlands Erfolg bei den PISA-Studiennacheifern würde indem man an den Schulen nur noch Finnisch spricht.
Der US-Wahlkampf ist vom deutschen viel zu unterschiedlich als das man ernsthaft Versuchen könnte durch Nachahmung zum Erfolg zu kommen.
Dennoch ist ein guter und zweckorientierter Webauftritt wichtig. Derzeit beschränkt es sich bei den meisten Parteien darauf ihr Material, dass sie auf Marktplätzen verteilen, auch ins Netz zu stellen und auf Twitter möglichst viele Follower, auf Youtube möglichst viele Subscriber auf Facebook und Studi-VZ möglichst viele Fans und auf ihre Websites möglichst viele Klicks zu erhalten. Warum? Weil.
Webkompetenz ist selten zu finden, vielleicht auch deshalb, weil man sich nicht wirklich viele Wählerstimmen unter Internetnutzern erhofft.
Und so dümpelt er dahin, der Wahlkampf in Deutschland wo die spannendsten Themen die sind, die keine Rolle spielen und wo sich in den nächsten sieben Wochen bis zur Wahl voraussichtlich nichts mehr tun wird.