Donnerstag, 14. Januar 2010

Haiti

Es schreiben, twittern, reden und berichten alle über das schreckliche Erdbeben bei Port-au-Prince. Ich wollte keinen Blogeintrag schreiben, ich habe nicht wirklich irgendetwas hinzuzufügen. Die Zerstörung ist unbegreiflich. Ich starre auf diese Bilder einer Stadt, die mehr Einwohner hatte als Hamburg, und nahezu nichts ist mehr übrig geblieben. Wie Kartenhäuser sind die Gebäude eingestürzt und haben die Menschen unter sich begraben. Nicht nur die Slums, die Vororte, die es bei solchen Katastrophen immer trifft, das Gebäude der U.N., das Gefängnis, den Regierungspalast, das Parlament.

In den Straßen liegen apathisch Menschen, starren in die Kamera von Reportern, die wahrscheinlich auch hoffnungslos überfordert sind. Das Leid ist unbegreiflich. Wie viele Tote es gibt kann keiner schätzen. Zahlen wie hunderttausend geistern durch die Medien und machen einem Angst. Die Verletzten können nicht in Krankenhäuser, denn die meisten Krankenhäuser gibt es nicht mehr.

Haiti, ohnehin ein armes Land, hat seine Perspektive verloren.

Eine Perspektive gewonnen haben die Hilfswerke. Erstmalig spielt Twitter, spielt Social Networking an sich, eine gigantische Rolle in der Verbreitung der Nachrichten und beim Aufruf zu Spenden. Auf Twitter ist nicht nur Haiti ein Trending Topic (einer der meist benutzten Begriffe) sondern auch Help, Yele, oder Text ( da viele kleine Summen über speziell eingerichtete SMS-Nummern des Roten Kreuzes, oder anderen Organisationen spenden). Erstmalig waren SMS Spenden in den ersten Stunden nach einer Katastrophe eine derartig signifikante Quelle von Spenden. Das Rote Kreuz hat bereits über 3 Millionen Dollar für Haiti auf diese Weise gesammelt.

Sei es Twitter, Facebook, Craigslist, Youtube überall ist das Thema angekommen und viel wichtiger, die Nutzer versuchen gezielt etwas zu erreichen. Es geht nicht nur darum, zu erfahren, was in Haiti geschieht, darum sich interessante Artikel zu schicken (auch wenn auch hier die Vorteile der schnellen Vermittlung von Nachrichten auf diesem Wege wieder einmal zu Tage tritt) sie rufen sich gegenseitig auf zu spenden, berichten wie viel sie geben, motivieren einander.

Nicht zu unterschätzen ist hierbei die Macht der Bekanntheit. Seien es “traditionelle” Celebrities wie Lance Armstrong, der eine viertel Millionen Dollar versprach, oder jene, die nur im Twitterverse Bakanntheit erlangten: Alle rufen zum Handeln auf.

Und so kann man hoffen, das die Menschen an ihren Computern dieser Katastrophe von noch nicht absehbaren Ausmaß vielleicht auch eine Spendenleistung entgegen setzen wie man sie noch nicht gesehen hat.Global, gut informiert und gezielt.

Die 1 Millionen Euro Soforthilfe der Bundesregierung erscheinen da eher lächerlich (auch neben den 100 Millionen die aus den USA bereits zugesagt sind). Man kann nur hoffen, das bei der EU-Geberkonferenz mehr erreicht wird. Insbesondere sind derartige Gaben erbärmlich, wenn man sich die Abwrackprämien, Steuervorteile für Banken und Ähnliches aus dem erst vor ein paar Tagen erschienenen Subventionsbericht in Erinnerung ruft.

Samstag, 2. Januar 2010

Studienverdreher gegen Studienversteher

Der schmale Grad zwischen Korrelation und Verursachung mal wieder wunderbar erkennbar…

In einer Studie mit Jugendlichen wurde festgestellt, dass von denen, die mehr schlafen, ein kleinerer Anteil an Depressionen leidet oder Selbstmordgedanken hegt. Das ist sicherlich keine uninteressante Studie, richtig spannend wird sie aber, wenn man sich anschaut, wie sie in den Medien wiedergespiegelt wird.

Ich kenne die Details der Studie nicht, und da ich nicht vom Fach bin möchte ich mich damit auch nicht all zu tief beschäftigen. Es reicht aber schon den Abstract eines neuen Papers des selben Forscherteams zu lesen, um auf etwas interessantes hingewiesen zu werden: “Insomnia and short sleep duration, which are typical symptoms of depression[…].” Wenig zu schlafen ist also ein Zeichen von Depression.

Worauf ich hinaus will ist ein zentraler Unterschied, der beim Betrachten von Studien immer zu beachten ist (und z.B. bei Gewalt und Medien all zu gern ignoriert wird): Nur weil zwei Fakten korrelieren heißt es nicht, dass das eine das andere Erzeugt.

Der Spiegel nennt den Artikel “Wer früh ins Bett geht hat seltener Depressionen” und weißt extra darauf hin “Weil die Forscher allein einen statistischen Zusammenhang (Korrelation) von Schlafdauer und Depression festgestellt haben, kommt jedoch auch eine ganz andere Erklärung in Frage: Womöglich fügen sich psychisch stabilere Jugendliche eher einer frühen Nachtruhe als jene, die zu Depressionen neigen“. Natürlich kommen noch Millionen anderer Erklärungen in Frage.

Der Fokus hingegen schreibt “Schlaf schützt Jugendliche vor Depressionen” und verklärt damit die Tatsachen der Studie. Web.de setzte das Thema mit “Schlafmangel schlägt aufs Gemüt” ähnlich kompetent um. So heißt es im Lead des Artikels: “Schlaf kann vor Depressionen schützen: Wie amerikanische Forscher jetzt nachwiesen, senkt zeitiges Zubettgehen das Risiko von Schwermut.” Natürlich haben die ominösen amerikanischen Forscher nichts dergleichen nachgewiesen.

Ganz neu sind die Ergebnisse wohl auch nicht (warum sie jetzt in den News sind weiß ich nicht), die Forscher des Teams um Professor Gangwisch veröffentlichen seit mindestens 2005 Artikel zu Depressionen bei Teenagern. Die selbe Relation, die ich beim Schlaf findet, lässt sich wohl auch bei Sport feststellen. Wer an den Themen interessiert ist findet bei Pubmed eine Übersicht seiner Arbeiten.

Ich wollte mich nur mal wieder über die deutsche Medienlandschaft auskotzen. Muss von Zeit zu Zeit sein.